Prof. Dr. Tilmann Betsch hat den Lehrstuhl für Sozial-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie an der Uni Erfurt inne.
Welche Faktoren begünstigen den Glauben an das Paranormale?*
In einer Studie mit 599 Probanden (60 % weiblich, Alter 18-81 Jahre) in Deutschland 2017/18 wurde der Zusammenhang zwischen 21 potentiellen Prädiktoren und einer Skala paranormaler Überzeugungen als Kriterium (Magie, Astrologie, Esoterik, übernatürliche Entitäten, Spiritualität) untersucht. Als Prädiktoren wurden individuelle Unterschiede mit Standard-Skalen gemessen, wie z.B. Persönlichkeitsinventaren (HEXACO) und Tests zu Fähigkeiten des Denkens (z.B. IQ). Mit regressionsanalytischen Verfahren fand sich ein Modell mit sechs Prädiktoren, das etwa 20 % der Varianz des Kriteriums aufklärt. In absteigender Reihenfolge der Vorhersagekraft der Prädiktoren besteht das Modell aus Ontologischer Konfusion, Intelligenz, Offenheit für Erfahrungen, Emotionalität, Gewissenhaftigkeit des Denkens und Kausalitätsverständnis. Die gefundenen Zusammenhänge lassen sich inhaltlich wie folgt interpretieren. Personen, die paranormale Überzeugungen hegen, betrachten die Welt eher in einer bedeutungsschaffenden, kreativen und emotionalen Weise. Auf der anderen Seite mangelt es ihnen zu einem gewissen Grade an der kognitiven Fähigkeit, dem relevanten Wissen und der Motivation, Annahmen in rigider, systematischer Form zu prüfen. Zusätzlich zu paranormalen Überzeugungen wurden in der Studie auch der Glaube an Pseudomedizin, an Verschwörungstheorien und religiöse Überzeugungen erhoben. Das Vorhersagemodell generalisiert im Wesentlichen auch auf die Kriterien Pseudomedizin und Verschwörungstheorie, nicht jedoch auf religiöse Überzeugungen. Die Implikationen der Befunde für den Umgang mit paranormalen Überzeugungen werden diskutiert.
*An der Untersuchung mitgewirkt haben: Leonie Aßmann und Andreas Glöckner.