Philipp Schmid (M.Sc.) ist Doktorand im PIDI-Lab (Psychology and Infectious Diseases Lab) an der Universität Erfurt unter der Leitung von PD Dr. Cornelia Betsch und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Uniklinikum Hamburg Eppendorf (UKE). Im Rahmen seiner Promotion und in Projekten mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschäftigt er sich insbesondere mit dem Phänomen der Impfmüdigkeit.
Kommunikation von und mit Impfgegnern
Impfungen gelten als Meilensteine des wissenschaftlichen Fortschritts. Die von den Gesundheitsbehörden empfohlenen Impfungen verhindern weltweit jährlich Millionen von potentiellen Krankheits- und Todesfällen. Dennoch sind mangelnde Impfbereitschaft bei spezifischen Impfungen, wie beispielsweise Influenza, und sogar Ablehnung von Impfungen im Allgemeinen keine Seltenheit.
Die Gründe für diese sogenannte Impfmüdigkeit in Deutschland und allen weiteren Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind vielfältig. Neben einem fehlenden Bewusstsein für die Folgen von impfpräventablen Krankheiten und der damit verbundenen Wahrnehmung, dass Impfen nicht relevant ist, sowie organisatorischen Hindernissen vor Erhalt einer Impfung und einer rationalen Berechnung von individuellem Nutzen und Risiken der Impfung, führen auch Impfmythen und Falschwissen zur Ablehnung von Impfungen. Die Verbreitung der Impfmythen wird maßgeblich durch die Art der Kommunikation und die Wahl der Kommunikationskanäle von Impfgegnern zu einem ernstzunehmenden Risikofaktor für die Gesundheit des Konsumenten solcher Falschinformationen. Die Relevanz des Einflusses von Impfmythen und Einzelfallberichten auf die individuelle Impfentscheidung wird vor allem durch die starke Präsenz dieser Informationen im Internet und den Effekt solcher Informationen auf die Risikobewertung von Impfungen deutlich.
Die von Impfgegnern genutzten Medienkanäle, wie beispielsweise das Internet, öffentliche Fernsehdebatten und/oder Interviews, bieten allerdings auch für Gesundheitsbehörden und Impfbefürworter eine Chance zur Korrektur von Falschinformation. Um effektive Korrekturen von Falschwissen zu gestalten, ist das bloße Präsentieren von wissenschaftlichen Fakten jedoch nicht hinreichend. Ganz im Gegenteil, psychologische Forschung zeigt, dass die unbedachte Korrektur von Falschwissen im schlimmsten Fall zur Verstärkung des Falschwissens führen kann. Psychologische Ansätze bieten vor allem bei der Aufbereitung von schriftlichem Informationsmaterial Hilfestellung bei der Aufklärung von Impfmythen.
Ein Spezialfall der Korrektur von Falschwissen ist die öffentliche Debatte bzw. das Interview mit einem Impfgegner. Die erforderliche Kombination aus medizinischem Fachwissen, rhetorischer Argumentationsstärke und Kenntnis über psychologische Aspekte der Interviewsituation macht die öffentliche Konfrontation mit einem Impfgegner zu einer komplexen Herausforderung.
Das WHO Regional Office for Europe entwickelt im Zuge dieser Problematik einen Ratgeber für Sprecher von Gesundheitsbehörden. Der Ratgeber basiert auf evidenzinformierten Schlussfolgerungen psychologischer und kommunikationswissenschaftlicher Forschungsergebnisse und bietet einen vielversprechenden Ansatz zur Eindämmung von Mythen rund um das Thema Impfungen.