Dr. biol. hum. Robert Mestel, Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, Supervisor Verhaltenstherapie, Abt. leiter Forschung/Qualitätssicherung VAMED Rehaklinik Bad Grönenbach. Arbeitsschwerpunkte: Angst- und Zwangsstörungen, Psychodiagnostik, Bindungstheorie, Qualitätssicherung, Psychotherapieforschung, Evaluation.
Psychotherapie der Posttraumatischen Belastungsstörung - zwischen Evidenz und zweifelhaften Techniken
Mehr als die Hälfte der Menschen im westlichen Kulturkreis haben mindestens ein Trauma gemäß der offiziellen Definition erfahren. Etwa 2% der Deutschen entwickeln irgendwann im Leben eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Nach einer kurzen Skizzierung der empirischen Wirksamkeit für verschiedene Behandlungsoptionen (medikamentös, Breitband-Psychotherapie, spezifische Psychotherapien) wird auf vermutete Wirkfaktoren bei der Traumabehandlung eingegangen. Auf dem Anbietermarkt tummeln sich neben wissenschaftlich gesicherten und bewährten Verfahren auch sehr viele, die noch nie untersucht wurden, aber als wirkungsvoll auf dem Markt angepriesen werden (z. B. "Brainspotting" oder "Somatic Experiencing"). Besonders schwer fällt die Einordnung bei der umstrittenen Methode "Eye Movement Desensitization Reprocessing (EMDR)", deren Wirksamkeit zwar belegt ist, der Wirkmechanismus jedoch völlig unklar bleibt. So zeigten ein Dutzend Entmantelungsstudien, dass es keinen Unterschied machte, ob der Patient wie im Manual angegeben dem Finger des Therapeuten mittels Augenbewegungen folgt oder nur auf eine ruhende Kerze oder Hand schaut. Es stellt sich auch die Frage, wie die Wirkung von Traumatherapien bei blinden Patienten zu verstehen ist, bei denen keine Augenbewegungen möglich sind. Ein heftiger Streit umtobt "Meridian Energie Techniken" (MET) bzw. Klopftechniken, bei denen traumatisierte Patienten Meridianbahnen der Akupunktur abzuklopfen haben. Zwar zeigen sich in kontrollierten Studien Effekte, jedoch wurde fast ausschließlich in esoterischen Verbandszeitschriften publiziert mit kleinen Fallzahlen bei analogen Populationen (keine wirklich klinisch relevanten Fälle) und es liegen keine Entmantelungsarbeiten vor. Zuletzt wird auf das Problem der mangelhaften Verbreitung wirksamer Verfahren in der Therapeutenpraxis eingegangen und auf mögliche Gründe dafür.